36 Stunden. So lange dauert die schnellste Zugverbindung von Madrid nach Stockholm. Die Fahrt beginnt um 7:20 Uhr und nach fünf Umstiegen mit teils mehrstündigen Pausen kommen die Reisenden einen Tag später um 19:38 Uhr in Stockholm Central an. Greta Thunberg hatte bei ihrer Rückreise vom UN-Klimagipfel nicht nur Probleme mit überfüllten deutschen ICEs, sondern auch mit den Anschlüssen. Wer in Europa so lange Distanzen mit der Bahn zurücklegen will, findet häufig keine brauchbare Verbindungen.
Seit
die schwedische Klimaaktivistin mit Zügen und Segelbooten die Welt bereist,
träumen viele Menschen wieder davon, Europa ohne Flugzeug zu erkunden. Auch FDP-Chef Christian Lindner fordert mehr europäische Hochgeschwindigkeitszüge.
"Was
würde dem Klima mehr helfen und was würde Europa mehr zusammenbringen, als eine
neue Hochgeschwindigkeitstrasse von Warschau über Berlin und Paris bis nach
Madrid?", sagte Lindner beim Dreikönigstreffen der FDP. Eine schöne Vision – aber nicht so weit von der Realität entfernt, wie man denken könnte.
Denn zwischen Madrid und Köln können die Züge schon heute weitgehend Höchstgeschwindigkeit fahren. Auch zwischen Hannover und Berlin sind die ICE immerhin mit 250 Kilometer pro Stunde unterwegs. Zudem denkt man in Deutschland darüber nach, die Strecke Bielefeld-Hannover-Berlin für Tempo 300 auszubauen. Und selbst Polen – bei Hochgeschwindigkeitszügen ein europäischer Nachläufer – plant nun, die Strecke von Warschau Richtung Westen auszubauen. Gefördert wurden oder werden vieler dieser Maßnahmen durch die Europäische Union und ihr Programm für Transeuropäische Netze (TEN). Seit 2000 hat die EU laut dem Europäischen Rechnungshof den Bau von rund 10.000 Kilometern Hochgeschwindigkeitstrasse mit insgesamt 23,7 Milliarden Euro unterstützt. Und bis 2030 sollen in Europa insgesamt sogar 30.000 Kilometer entstehen – kofinanziert durch EU-Geld. Europas längste Hochgeschwindigkeitsstrecke reicht immerhin vom spanischen Málaga bis nach Amsterdam, mit Abzweigungen nach London und Köln.
Nationale Egoismen
Lindners Aussagen und die teils begeisterten Reaktionen darauf zeigen allerdings, dass die Bemühungen der EU, ein europaweites Hochgeschwindigkeitsnetz zu schaffen, in der Bevölkerung bislang kaum wahrgenommen werden. Der deutsche ICE, der französische TGV, der spanische AVE – meistens werden Schnellzüge noch immer als nationale Angelegenheit gesehen. Die Schuld dafür gibt der Europäische Rechnungshof den nationalen Egoismen der Mitgliedsstaaten. Mit dem TEN-Programm sei statt einem EU-weiten Plan nur ein unwirksamer Flickenteppich aus Strecken der einzelnen Mitgliedstaaten entstanden, schrieben die Rechnungsprüfer in einem Sondergutachten im Juni 2018. An grenzüberschreitenden Verbindungen hätten die EU-Staaten kein großes Interesse.
Im europäischen Bahnverkehr fehlen nicht in erster Linie Trassen für Schnellzüge – sondern Verbindungen, die konkurrenzfähig zum Flugzeug sind.
Kris de Decker kennt das aus
eigener Erfahrung. Seit 2008 verzichtet der belgische
Technikjournalist komplett auf Flüge und reist von seinem Wohnort Barcelona mit
dem Zug nach ganz Europa. "Ich habe diese entspannte Art zu Reisen sehr
genossen. Die ersten Jahre waren toll", erzählt der 48-Jährige. Doch
zuletzt sei es für ihn schwieriger geworden, seine Ziele zu erreichen.
Schnellstrecken kosten Nachtzüge
Als größten Einschnitt hat de Decker dabei ausgerechnet die Eröffnung der Schnellstrecke zwischen Barcelona und Frankreich im Dezember 2013 erlebt. Seitdem kommt er zwar zwei Mal am Tag mit dem TGV in sechseinhalb Stunden nach Paris, aber zugleich wurde der Nachtzug zwischen den beiden Städten abgeschafft. Bei Fahrten in seine belgische Heimat sitze er nun den ganzen Tag im Zug, sagt de Decker, wo er früher gemütlich im Schlafwagen reiste. "Und dafür zahle ich jetzt auch noch mehr."
Die spanische Bahngesellschaft Renfe strich außerdem die Nachtzüge von Barcelona nach Mailand und Genf. Um in die Schweiz und weiter nach Mitteleuropa sowie nach Italien zu kommen, müsse er deshalb heute mehrmals umsteigen und mehrere Schnellzüge und Regionalzügen miteinander kombinieren, berichtet de Decker. "Schneller sind diese Fahrten dadurch für mich nicht geworden, nur teurer, komplizierter und unzuverlässiger." Weil es keine durchgehende Verbindungen gibt, hat die neue Strecke auch die Fahrt von Spanien nach Deutschland kaum beschleunigt.
Kommentare
ThomasMelber
#1 — vor 8 StundenEntfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema. Danke, die Redaktion/vh
Curitiba
#1.1 — vor 8 StundenDer Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
Rechtssozialdemokrat
#2 — vor 8 StundenNichtmal der Deutsche Bahn Manager selbst nutzt die Bahn um zur Arbeit zu kommen.
Die glauben selber nichtmal an ihr Produkt.
Robert Geiss
#2.1 — vor 8 StundenIch weiß nicht, ob das für alle gilt, der Einzige, der das offen zugab, war Mehdorn, der erst die Bahn im Zuge (sic!) der Privatisierung in den Zustand herunterwirtschaftete, mit dem sie heute zu kämpfen hat.
Die Privatisierung war eine vom Neoliberalismus (Privat vor Staat) geprägte Fehlentscheidung.
TotoBien
#3 — vor 8 StundenEs wäre schon ein riesen Fortschritt, wenn man eine europäische Zugreise über ein zentrales Portal buchen könnte und sich nicht drei verschiedene Tickets holen müsste... Inklusive der Garantie, dass bei verpasstem Anschlusszug kein neues Ticket gekauft werden muss.
VVPP
#3.1 — vor 7 StundenIch empfehle dir Website der belgischen Bahn: das Land ist so klein, daß es internationale Fahren anbieten muss.
Die Website ist auch an englisch und deutsch online, Verkäufer auch Tickets, die nicht durch Belgien führen (z B Deutschland nach London über Paris) und erkauft sogar Bahn Card Rabatt.
TWhao
#4 — vor 8 StundenWer will ständig zu spät kommen oder horrende Preise für miserablen Service bezahlen?
besserStill
#4.1 — vor 8 StundenArtikel gelesen?